Journalisten Tagesablauf

Medienarbeit

 

Den richtigen Moment abpassen.

Seine Geschichte in einer Redaktion an den Mann oder die Frau zu bringen, ist nicht so einfach. Nicht nur, weil die Redakteure vielbeschäftigte Menschen sind – sie haben auch unterschiedliche Funktionen und Aufgaben. Viele schicken ihre Story zum Beispiel gerne an den Chefredakteur, weil der doch schließlich das Sagen hat. Hat er zwar auch, aber bei täglich bis zu tausend Agenturmeldungen plus Pressmitteilungen plus Mails ist es schier unmöglich, dass einer alleine der Flut Herr wird.

 

Deswegen haben Redaktionen eine Struktur. Hier grob vereinfacht die drei wichtigsten Ebenen zum Beispiel bei einer Tageszeitung:

 

        1. Chefredaktion oder Redaktionsleitung: Hier sitzen, wie gesagt, die Entscheider. Sie sind verantwortlich für das fertige Produkt, sie bestimmen die Themen und ihre Gewichtung. Ohne sie geht keine Seite, kein TV-Bericht, kein Hörfunkbeitrag raus.
        2. Ressortleiter: Sie sind so etwas wie die Abteilungsleiter für die unterschiedlichen Bereiche. Bei Tageszeitungen sind das zum Beispiel Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport, Lokales und Panorama (das ist das bunte Leben der Promis). Die Ressortleiter sind die Ebene zwischen Chefredaktion und Redakteuren.
        3. Redakteure: Das sind die meisten Menschen in einer Redaktion. Sie setzen die Themen um, heißt: Sie recherchieren im Netz und am Telefon, nehmen Termine war, sitzen im Rathaus und bei der Pressekonferenz, hetzen zu Unfällen und Tatorten, machen Umfragen und besuchen neue Events. Und vieles mehr. Und immer seltener, weil der Druck in den Redaktionsstuben immer höher wird.

Der Tagesablauf – um bei der Tageszeitung zu bleiben – ist einigermaßen strikt und folgt etwa diesem Plan:

 

Bis 9 Uhr: Die Recherche für den jeweiligen Tag beginnt bei den meisten schon unmittelbar nach dem Aufstehen mit Radiohören, Frühstücksfernsehen und dem Checken der ersten Mails. Wer nicht schon bei einem Termin ist, kommt in die Redaktion.

 

9-10 Uhr: Alle – ausnahmslos – machen sich ein Bild über die Nachrichtenlage. Welche Themen werden heute diskutiert? Was ist in der Nacht passiert? Welche frischen Agenturmeldungen sind reingekommen? Wer hat angerufen? Oder einfacher ausgedrückt: Was ist heute los? Die Ressortleiter diskutieren mit den Redakteuren über die Bereichs-Themen und wie man sie aufbereiten will. Daraus entsteht bei jedem Ressortleiter der sogenannte Themenplan.

 

10-11 Uhr: Mit diesem Themenplan geht es in die Morgenkonferenz. Hier sitzen zumeist die Ressortleiter mit der Chefredaktion zusammen. Gemeinsam setzen sie die Themen für den Tag. Nach dem Ende der Sitzung werden die Redakteure in Marsch gesetzt (real sind die aber meistens schon unterwegs).

 

15-16 Uhr: Die Zeilenkonferenz. Wieder kommen die leitenden Redakteure an einen Tisch und tauschen sich über die Entwicklung der am Morgen gesetzten Themen aus, insbesondere aber auch über neue Stories, die den Tag über hereingekommen sind. Im Idealfall einigen sie sich hier u.a. darauf, welche Geschichte die Schlagzeile wird.

 

Bis 19 Uhr: Das „Blatt wird zu gemacht“. Dahinter verbirgt sich: Alle Bausteine für eine Geschichte – Fotos, Texte, Überschriften – fließen im Layout zusammen. Jede fertige Seite wird der Chefredaktion vorgelegt, die sie absegnet – oder eben nicht.

 

Bis 20 Uhr: Die leitenden Redakteure planen grob den nächsten Tag.

 

Ab 20 Uhr: Spätredakteure beobachten weiter die Nachrichtenlage und passen die Zeitung immer wieder dem aktuellen Nachrichtenstand an.

 

Mit anderen Worten: Wer in dieser „Maschine“ Gehör finden will, muss den richtigen Moment abpassen. Das gilt für Anrufe wie für Mails wie für persönliche Ansprachen. Chefredakteure zu erwischen, ist ohne persönlichen Kontakt so gut wie aussichtlos, ebenso Ressortleiter. Und sie sind ohnehin nicht die richtigen Ansprechpartner (aber dazu mehr beim nächsten Mal).

 

Bei den Redakteuren bietet sich für ein Telefonat insbesondere der Zeit-Korridor an, wenn Chefredaktion und Ressortleiter ihre Morgenkonferenz haben. Da ist Ruhe nach dem ersten kleinen Sturm (Themen suchen!) und vor dem großen Sturm (Umsetzen!). Mails gehen im Produktionsstress gerne unter, also am besten am Abend, nachts oder früh morgens schicken – denn am Morgen ist die Aufmerksamkeit am höchsten und manchmal ist der Redakteur für jede Geschichte zu haben, weil er seinem Ressortleiter sonst mit leeren Händen begegnen muss. Ist die Mail nicht zeitkritisch, bietet sich das Wochenende zum Versenden an: Wenn am Sonntag in den Redaktionen gearbeitet wird, ist es meistens ruhiger und es ist Zeit zum Lesen und Vertiefen. Wer am Montagmorgen nach einem freien Wochenende in die Redaktion kommt, freut sich über frische Themen auf dem Tisch.

 

Bei nächsten Mal geht es darum, wie Sie die „richtigen“ Ansprechpartner für Ihr Thema finden. Mit ein wenig SUPRPlanung ist das ganz einfach.

Autor

Thomas Friemel

 

Kommunikationsbüro für Social Entrepreneurship GmbH

Thomas Friemel von Kombüse, Kommunikationsbüro für Social Entrepreneurship GmbH, Kombuese.org. Der Politologe hat mehr als 18 Jahre lang bei Tageszeitungen (Kölnische Rundschau, Hamburger Morgenpost) und Magazinen (MAX, Player) gearbeitet.

 

2009 gründete er mit anderen den Social Publish Verlag 2010 GmbH, der seitdem u.a. das Wirtschaftsmagazin enorm herausgibt, das Friemel maßgeblich konzipierte und fast vier Jahre als Chefredakteur führte. Thomas Friemel lebt mit seiner Frau Stefanie Hellge und ihren gemeinsamen beiden Kindern in Hamburg.

Website

Kombuese.org

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