Qualitätsmanagement

 

Qualität als Grundlage für eine wirkungsvolle Organisation

 

Jeder weiß, dass Qualität wichtig ist – doch was bedeutet Qualität und wie kann Qualität systematisch sichergestellt werden? Welche Herausforderungen ergeben sich bei der Etablierung eines sogenannten Qualitätsmanagementsystems im Stiftungs- und NGO-Kontext? Der folgende Artikel möchte anhand unserer Erfahrung einen Einblick in das Thema geben und dabei neben fachlichen Grundlagen auch auf die spezifischen Herausforderungen einer Stiftung bei der Etablierung eines Qualitätsmanagementsystems eingehen.

Ein Bild mit Symbolcharakter: Struktur, Systematik, hinterlegtes Wissen – wichtige Bausteine des Qualitätsmanagements

source: Niklas Ohlrogge

Wieso Qualitätsmanagement?

 

Stiftungen oder gemeinnützige Organisationen, die Spenden sammeln, sind heutzutage einer Vielzahl von Herausforderungen ausgesetzt. Es gibt viele andere Organisationen, die ebenfalls um Spenden werben, zum Teil für gleiche oder ähnliche Zwecke. Dies führt oft dazu, dass Organisationen im Wettbewerb zueinander stehen und sich im Sektor profilieren müssen. Gleichzeitig erfordert der besondere Status der Gemeinnützigkeit, verantwortungsvoll und sorgsam mit Spendengeldern umzugehen und den Verwaltungsaufwand (und somit auch die Kosten) gering zu halten. Und nicht zuletzt gilt es, die Zwecke, die man verfolgt, effektiv zu realisieren – “Wirkung” zu erzielen. Diese Anforderungen spiegeln sich auch intern wider: Strukturen, Systeme und Prozesse sollten schlank und effizient sein und die Organisation dazu befähigen, ihre Zwecke bestmöglich zu erreichen. Darüber hinaus gilt es bei der Festlegung von Arbeitsweisen auch Problemstellungen aus dem Arbeitsalltag zu berücksichtigen – beispielsweise im Hinblick auf die Art der Zusammenarbeit unter Mitarbeiter*innen und wie diese bestmöglich gelingen kann. Wie immer komplexer und umfangreicher werdende Aufgaben bestmöglich betreut und wie Fehler erkannt und daraus gewonnene Erkenntnisse auch tatsächlich genutzt werden. Wichtig ist es darüber hinaus, wie Wissen zentral gesichert und verfügbar gemacht werden kann oder wie strategisch mit Risiken und Chancen umgegangen wird. Diese verschiedenen Anforderungen lassen sich für Organisationen ab einem gewissen Punkt nur noch mit einem hohen Grad an Systematisierung und Professionalisierung erreichen. Ein holistischer Ansatz, der den Weg dahin ebnen kann und sich seit den 1980ern als internationale ISO-Norm (International Organization for Standardization) bewährt hat und von Unternehmen in den unterschiedlichsten Sektoren weltweit genutzt wird, ist der Ansatz des Qualitätsmanagements.

Was ist Qualität?

 

Qualität ist ein Begriff, der in den unterschiedlichsten Kontexten genutzt wird und meistens etwas über die Beschaffenheit oder den Zustand von etwas aussagt und positiv besetzt ist. Aber was ist Qualität? Qualität sicherzustellen bedeutet erstmal nichts anderes als Anforderungen zu erfüllen. Um ein Beispiel zu geben: Wenn eine Waschmaschine energiesparsam ist, eine erwartete Lebensdauer von 15 Jahren hat und mir vom Design her gefällt, erfüllt sie meine Anforderungen – und somit meinen Qualitätsanspruch.

 

Anforderungen können dabei sowohl extern, z.B. durch Kund*innen, aber auch intern, von der Organisation selbst definiert werden. Diese unterschiedlichen Anforderungen gilt es im Sinne der Kundenzufriedenheit zu erfüllen. Wobei auch andere Parteien Anforderungen an eine Organisation stellen können, z.B. Mitarbeiter*innen oder Kooperationspartner*innen, aber auch der Gesetzgeber oder die Zivilgesellschaft. Wichtig ist es, zu bestimmen, wer diese Parteien sind und welche Anforderungen sie haben. Im Stiftungs- bzw. NGO-Kontext würde man wahrscheinlich nicht von “Kund*innen” sprechen, wenn es um die Anforderungen von so unterschiedlichen Parteien wie Spender*innen, Förderpartner*innen und Projektnutzer*innen geht. Da wir uns in diesem Artikel aber an der ISO-Norm für Qualitätsmanagementsysteme orientieren, verwenden wir der Einfachheit halber im Folgenden auch den Begriff “Kund*innen”.)

 

Ein Qualitätsmanagementsystem (QMS) soll eine Organisation dazu befähigen, die gesetzten Anforderungen jederzeit erfüllen und ein System zu etablieren, das Qualität systematisch sicherstellt. Man könnte auch sagen, es geht um die Qualitätsfähigkeit, z. B. die Fähigkeit, Qualität im Sinne der Erfüllung von Anforderung unabhängig von den Bedingungen, in denen sich eine Organisation bewegt, jederzeit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu liefern. Das bedeutet, dass es für die Organisation irrelevant ist, ob die zuständige Mitarbeiterin spontan ausfällt oder ein Computer kurzfristig defekt ist. Das QMS sorgt dafür, dass die Leistung trotzdem erfüllt werden kann: Bei der ausgefallenen Mitarbeiterin dadurch, dass sie ihr Wissen schon vorher in den Prozessen integriert und dokumentiert hat und dies für alle anderen Mitarbeiter*innen verfügbar ist. Oder im Falle des defekten Computers dadurch, dass die IT-Infrastruktur so aufgebaut ist, dass der Arbeitseinsatz auch jederzeit von einem anderen Gerät möglich ist.

Woraus besteht ein Qualitätsmanagement-System?

 

Dazu hilft ein Blick in die erwähnte ISO-Norm für Qualitätsmanagementsysteme (aktuell ISO 9001:2015), die die Anforderungen an ein QMS definiert. Zentral dabei sind vor allem die sieben Grundsätze des Qualitätsmanagements:

 

  1. Kundenorientierung
  2. Führung
  3. Engagement von Personen
  4. Prozessorientierung
  5. kontinuierliche Verbesserung (KVP)
  6. Faktengestützte Entscheidungsfindung
  7. Beziehungsmanagement

 

Zusammenfassend kann man diese sieben Grundsätze wie folgt:

Es geht darum, alle Aktivitäten innerhalb einer Organisation als Prozesse zu verstehen und zu konzipieren (Prozessorientierung), wobei stets Kund*innen als wichtigste Anspruchsgruppe im Fokus stehen, deren Anforderungen es zufriedenzustellen gilt (Kundenorientierung).

Die Prozesse sind auf Basis von Daten und Fakten zu steuern: Über Leistungs-Indikatoren, sogenannte Key Performance Indicators (KPIs), die anzeigen, ob der Prozess so läuft wie intendiert oder nicht (faktengestützte Entscheidungsfindung). Wenn ein Prozess nicht so läuft wie geplant, ist es Aufgabe des jeweiligen Prozessverantwortlichen, einzugreifen und die Prozessleistung so zu beeinflussen, dass das gewünschte Prozessziel (wieder) erreicht wird.

 

Plan-Do-Check-Act (PDCA) oder Demingkreis wird dieses zentrale Prinzip genannt:

 

  1. Man plant etwas (PLAN),
  2. führt es nach Plan aus (DO),
  3. kontrolliert dann, ob die tatsächliche Ausführung der Planung entspricht (CHECK),
  4. und interveniert bei Abweichungen (ACT), um eine Durchführung nach Plan sicherzustellen.

 

Dann beginnt der Kreislauf von Neuem. Dabei erkannte Fehler und gewonnene Erkenntnisse, sogenannte “Learnings”, werden wiederum in der nächsten Prozessdurchführung integriert, um den Prozess bei jeder neuen Ausführung etwas “besser” zu machen (kontinuierliche Verbesserung). Niemals fehlen dürfen dabei die Menschen, die hinter diesem System stehen: Dabei geht es sowohl um die Mitarbeiter*innen, die ihre Prozesse aktiv und mithilfe von KPIs steuern und managen (Engagement von Personen), als auch um die Führungskräfte, die als gutes Beispiel vorangehen und eine Qualitätskultur, die Aspekte wie KVP oder einen positiven Umgang mit Fehlern wertschätzt, vorleben und in die Organisation hineintragen (Führung). Und nicht nicht zuletzt geht es auch um die Aufrechterhaltung stabiler und verlässlicher Beziehungen zu allen anderen relevanten Parteien (Dienstleister*innen, Partner*innen), die das Umfeld einer Organisation mitbestimmen und prägen (Beziehungsmanagement).

Wie sieht die Umsetzung in der Praxis aus?

 

In erster Linie braucht es Zeit, Ressourcen, Motivation und Leadership. Der Aufbau eines QMS kann – abhängig von der Größe einer Organisation und den bereitgestellten Ressourcen – mehrere Jahre dauern. Es braucht eine*n Qualitätsmanager*in, die*der durch Schulungen und Trainings qualifiziert und von der obersten Leitung damit beauftragt ist, das Vorhaben der Etablierung eines QMS zu steuern. Es braucht aber auch Ressourcen auf Seiten der anderen Beteiligten, nämlich der Prozessverantwortlichen, die v. a. am Anfang viele Kapazitäten zum Wissenserwerb, für den Aufbau der Dokumentation und auch für die Übernahme ihrer Rolle als Prozessmanager aufwenden müssen.

 

Insbesondere Aspekte der Dokumentation – der Aufbau einer Prozesslandkarte, die alle Prozesse einer Organisation visuell und interdependent darstell. Die Anfertigung von Prozessbeschreibungen oder die Einführung eines Dokumentenmanagements sind am Anfang mühselige Aufgaben und erfordern Durchhaltevermögen. Die Dokumentation und Standardisierung hat jedoch langfristig viele Vorteile, trägt sie doch zur Wissenssicherung bei – und macht die Arbeit der Organisation damit von einzelnen Personen und ihrem spezifischen Wissen unabhängig. Das bedeutet, dass wenn ein Mitarbeiter eine Organisation verlässt, sein Wissen weiterhin in der Organisation bleibt – weil es in den Prozessen und Hilfsmitteln “steckt”. Ein weiterer Vorteil ist, dass durch die standardisierten Abläufe mit hoher Wahrscheinlichkeit immer die gleiche Leistung erbracht wird. Die schriftlich festgelegten Vorgaben stellen sicher, dass Prozesse auf standardisierte Weise durchgeführt werden – und sorgen somit für Reproduzierbarkeit und Kontinuität. Gleichzeitig sollten diese im Idealfall natürlich so gestaltet sein, dass Anwender*innen einen Freiraum haben und ihr Fachwissen einbringen können.

 

Zudem gilt, sowohl in Bezug auf die Dokumentation als auch auf das Verständnis von Qualität im Allgemeinen: Es muss nicht alles perfekt sein. Ein erster Arbeitsstand ist immer die Grundlage, auf der man aufbauen kann und die im Zeitablauf mit neu gewonnener Erfahrung an Reife gewinnt. Vielmehr geht es – im Sinne von PDCA und KVP – darum, sein “Doing” immer wieder zu prüfen und kontinuierlich weiterzuentwickeln und zu verbessern. Was zunächst als Konzept einfach klingt, aber immer wieder in der Praxis verankert werden muss, sodass jeder Prozessverantwortliche die mit seiner Rolle verbundenen Aufgaben und Verantwortlichkeiten aktiv und eigeninitiativ wahrnimmt.

 

 

Was sind Erfolgsfaktoren und Herausforderungen?

 

Die größte Herausforderung besteht sicherlich darin, die theoretischen Anforderungen des Qualitätsmanagements in die Praxis umzusetzen und die Konzepte auf das tatsächliche Doing anzuwenden. Vor allem als Stiftung ist diese Aufgabe schwierig, da es sehr wenige Stiftungen in Deutschland gibt, die über ein QMS verfügen und viele Beispiele in Literatur und Schulungen auf klassische Unternehmen ausgerichtet sind – es fehlt an Best Practice Beispielen im gemeinnützigen Bereich. Aber auch hier hilft der Ansatz eines QMS, sich den spezifischen Kontext, in dem man aktiv ist, verständlich zu machen. In unserem Fall bedeutet dies: Wir sind eine gemeinnützige Stiftung. Unsere Kern-Prozesse erstrecken sich über alle Aktivitäten, die darauf ausgerichtet sind, Spenden zu generieren – das ist die eine Richtung. Und diese Spenden dann für Projekte einzusetzen, die den Anforderungen von uns als Organisation, denen unserer Spender*innen und denen der künftigen Projektnutzer*innen entsprechen – das ist die andere Richtung. Die Anforderungen dieser Parteien sind maßgeblich für die Ausgestaltung unserer Prozesse. Und dies gilt natürlich auch für andere mit unserem Kontext verbundene Themen: So werden die für uns relevanten Gesetze und Vorgaben sowohl durch unsere Organisationsform als gemeinnützige Stiftung als auch durch die Vorgaben und Regeln in unseren Projektländern im Ausland bestimmt. Auch das Setting, in dem wir uns bewegen, konstituiert Anforderungen, die wir im Rahmen unserer Prozesse berücksichtigen müssen.

 

Aber auch hier gilt: Nicht alles ist von Beginn an perfekt. Die Etablierung eines QMS ist an sich bereits ein Lernprozess. Die Qualifizierung einer*s Qualitätsmanager*in und die Weitergabe dieses Wissens an alle anderen Beteiligten durch die Durchführung interner Trainings oder bilateraler Coachings sollte von seiner Relevanz für den Erfolg des Vorhabens nicht unterschätzt werden. Vor allem am Anfang ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Qualitätsmanager*in und Prozessverantwortlichen notwendig, um Wissen zu vermitteln und die Prozessverantwortlichen bei der Prozessdokumentation und dem Prozessmanagement zu unterstützen. Darüber hinaus liegt ein wesentlicher Erfolgsfaktor in der Beratung durch externe erfahrene Expert*innen. Sie können Feedback geben, ob die entwickelten Prozesse Sinn machen, darin bestärken, eigene Anforderungen zu definieren und eigene, auf die Organisation angepasste Lösungen zu finden. Denn: Inhalt und Umfang eines QMS richten sich nach der Größe und Struktur, der Komplexität und dem Umfang der zu erbringenden Leistungen und der Qualifikation der Beteiligten. Es gibt daher kein Muster, das für alle funktioniert – vielmehr muss ein QMS immer individuell auf die Anforderungen der Organisation zugeschnitten sein.

 

 

Wie sieht ein Alltag mit QM aus?

 

Fast ebenso wichtig wie die Aufbauphase eines QMS sind der anschließende QMS-Betrieb und die regelmäßige Überprüfung seiner Wirksamkeit. Ein QMS ist ein dynamisches Gebilde – nur wenn die Prozesse und alle anderen Hilfsmittel gepflegt und genutzt werden und jeder aktiv an der Gestaltung des QMS mitwirkt, kann sein Zweck erfüllt werden. Wie das geht? Indem jeder Prozessverantwortliche seine Dokumentation und sein Doing regelmäßig im Sinne von PDCA überprüft und Verbesserungen kontinuierlich integriert und umsetzt. Aber auch durch sogenannte Maßnahmen zur Messung der Wirksamkeit des QMS, wie beispielsweise Auditierungen, die die Möglichkeit bieten, sich Prozesse oder Ergebnisse in der Organisation ausführlich anzuschauen und gemeinsam Potentiale für Optimierungen festzustellen. Nicht zuletzt ist es auch eine kulturelle Angelegenheit: Nur wenn alle davon überzeugt sind, dass ein QMS ihnen auch einen konkreten Mehrwert bietet und eine offene Fehlerkultur und Lernbereitschaft an den Tag legen, kann ein QMS funktionieren. Und damit eine Organisation dabei unterstützen, die von ihr gesetzten Ziele zu erreichen – und Wirkung zu erzielen.

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Erstveröffentlichung am 26. September 2022:

linkedin.com/neven-subotic-stiftung

im Original veröffentlicht von der

 

Neven Subotic Stiftung

 

auf LinkedIn

Autorin

Carolin Tiefenthal

 

Carolin Tiefenthal arbeitet bei der Neven Subotic Stiftung im Stiftungs- und Spendenmanagement, um Abhängigkeits- und Ungerechtigkeitsstrukturen zu überwinden.

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